Unter dem Motto „Freiheit statt Patriarchat, Kapitalismus und Egoismus“ haben wir gestern mit bis zu 800 Menschen bei der anarchistischen 1. Mai Demonstration demonstriert.
Wir waren überwältigt, von der großen Beteiligung, mit der wir in diesem Umfang nicht gerechnet hätten. Im Vergleich zu 2019 waren es somit mehr als doppelt soviele Menschen, vielen Dank dafür!
Bis vor zwei Tagen war noch völlig unklar ob die Demonstration in dieser Form überhaupt stattfinden kann, da diese durch das Ordnungsamt untersagt wurde.
Wir waren jedoch darauf vorbereitet und reichten erfolgreich eine Klage ein. Dabei stellte sich heraus, dass das Verbot damit begründet wurde, dass Menschen sich bei Querdenken-Demonstrationen in Dortmund nicht an Hygienevorgaben gehalten haben. Mit diesem lächerlichen Bescheid wurden sämtliche Demonstrationen in Dortmund verboten. Darunter unter anderem die geplanten Protestzüge zum Gedenken an die Anschläge von Hanau, zum feministischen Kampftag und dem Klimastreik. Allen genannten Veranstaltungen war es jedoch ein Anliegen, im Gegensatz zu den Querdenkendemos, die erforderlichen Hygienemaßnahmen und Abstandsreglungen einzuhalten. Auch wir haben schon im Aufruf betont, dass uns die Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmen sehr wichtig ist und wir uns klar von Coronaleugner*innen abgrenzen. Wir hoffen das die Praxis der Demoverbote in Dortmund damit jetzt endlich ein Ende hat!
Die Auftaktkundgebung zum anarchistischen 1. Mai starte bei sonnigem Wetter um 16:00Uhr im Westpark. Die Plattform Ruhr began mit einem Redebeitrag, in dem dazu aufgerufen wurde, sich der anarchakommunistischchen Organisation anzuschliessen. Daran anknüpfend, kündigte die Freie-Arbeiter*innen Union (FAU) in einer Rede an, dass auch in Dortmund wieder Strukturen der Gewerkschaft aufgebaut werden sollen. Im Anschluss folgte ein Redebeitrag vom Feministischen Kollektiv Dortmund zum Thema feministische Elternschaft, welcher auf gesellschaftliche und politische Missstände hinweist, die dazu führen, dass Frauen immernoch deutlich mehr unbezahlte Reproduktionsarbeit leisten und im Lohnarbeitssektor massiv benachteiligt werden. Bevor sich die Demo dann in Bewegung setzte, gab der Rapper Tolztoy noch einen Song zum besten.
Dann ging es los und plötzlich zeigte sich, dass sich viel mehr Menschen, als zunächst angenommen, der Demonstration anschlossen. Die ersten Reihen der Demo wurden von einem organisierten FLINTA-Block gestellt. Dazu gab es eine halbe Stunde vor Beginn einen Treffpunkt für FLINTA Personen, die alleine unterwegs waren.
Den Abschluss des Blocks bildete die Trommelgruppe Rhythms of Resistance (RoR Pott), die für gute Stimmung und eine Untermalung der Parolen sorgten. Der darauffolgende, zweite organisierte und klassenkämpferische Block wurde von der Plattform Ruhr gebildet. Dahinter reihten sich der Lautsprecherwagen und hunderte weitere Personen ein, die ebenfalls immer wieder lautstark Stimmung machten.
Zu Beginn wurde der Demozug mehrfach von der Polizei gestoppt. Selbst der Chef des Ordnungsamtes war anwesend und machte höchstpersönlich auf die bestehenden Hygieneregeln aufmerksam, die jedoch unsererseits konsequent umgesetzt wurden. Mehrere Ordner*innen haben zudem auf das Einhalten der Abstände geachtet.
Die ziemlich lange Demonstration lief vom Westpark aus auf die Rheinische Strasse, wo die Initiative Face2Face auf Höhe des Gasthauses, einen Beitrag zur Situation der Obdachlosen in Dortmund hielt. Durch die beiden Moderator*innen wurde im Verlauf der Strecke immer wieder auf bestimmte Gebäude und Institutionen Bezug genommen und auf deren Rolle im kapitalistischen System eingegangen.
Auf Höhe des Hauptbahnhofs schlossen sich 30 Menschen aus Witten und Hagen der Demo an, nachdem sie vorher in Witten an der Demonstration von „werhatdergibt“ teilgenommen haben. Auch aus Bochum sind viele Menschen angereist, unter anderem Personen der feministischen Gruppe „Take back the Night“, die Werbung für ihre geplanten Veranstaltungen machten. Zudem hat die Schwarze-Ruhr-Uni eine öffentliche Anreise vom Bochumer Hauptbahnhof durchgeführt. Bei der Zwischenkundgebung an den Katharinentreppen folgte ein kämpferischer Redebeitrag von der kurdischen Jugend, in dem unter anderem auf antikapitalische und feministische Praxis in Rojava eingegangen wurde.
Den kurzen Stopp am RWE-Tower nutze Fridays for Future, um mit einer Rede auf den Zusammenhang zwischen kapitalistischer Produktionsweise und Klimawandel hinzuweisen.
Laut, kreativ, kämpferisch und bunt ging es über das Burgtor weiter in die Nordstadt. Immer wieder wurde die Demo mit Parolen von den Moderator*innen und aus den Blöcken heraus mit Megaphonen eingeheizt. Es wurden antikapitalistische und antipatriarchale Inhalte transportiert. Darüber hinaus wurden Ausgangsverbote skandalisiert und ein besserer Zugang zu Impfstoffen gefordert. Die Stimmung befand sich auf dem Höhepunkt.
Über die Grüne Straße fand der Demozug seine Fortsetzung und bog schließlich auf die belebte Schützenstraße ab. Dort zeigten Passant*innen ihre Zustimmung und winkten den Demonstrierenden zu. Von da aus ging es weiter über die Feldherrnstraße auf das Black Pigeon zu. Aus einer Wohnung in der Nähe hing das Fronttransparent der anarchistischen 1. Mai Demonstration von 2018. Bei den letzten anarchistischen Demonstrationen markierte das Black Pigeon den Endpunkt der Demo und bei gemütlichen Beisammensein wurde der Arbeiter*innenkampftag gemeinsam beendet. Das war in diesem Jahr pandemiebedingt leider nicht möglich. Die Endkundgebung fand deshalb, und auch um kritisch auf den Umbau des Hafens aufmerksam zu machen, am (ehemaligen) Umschlagplatz statt.
Vor Ort hielt die Hafeninitiative eine Rede, die mit den von der Stadt angebotenen symbolischen Partizipationsmöglichkeiten im Kontext des Hafenumbaus abrechnete. Die Initiative bringt sich seit drei Jahren ein, vorgeschlagenes wurde jedoch bis dato in keinem Punkt umgesetzt.
Der letzte Beitrag wurde von der Sozial-Ökologischen Initiative (SÖZ) gehalten, die aktuell auf der Suche nach einem eigenen Zentrum sind. Das SÖZ hatte noch ein echtes Highlight im Gepäck, indem sie ein ein eigenes SÖZ-Leuchtschild enthüllten.
Zu Beginn der Kundgebung gab es auf der anderen Seite des Hafenbeckens noch eine Pyroaktion, bei der Menschen ein Transparent gegen Versammlungsverbote hielten. Für diese kleine Aktion wurden die Personalien einiger angeblich beteiligter Personen aufgenommen. Dabei setze die Polizei am Ende nochmal bewusst auf eine Eskalation, indem eine Person beim Verlassen der Demo gefangen und zu Boden gedrückt wurde. Hierbei kam es zu einer Handverletzung. Nach dieser unnötigen Aktion war die, sowieso bereits aufgelöste, Demonstration vorbei und die meissten Menschen machten sich auf den Weg nach Hause.
Wir danken der Foto- und Filmcrew, dem Techniker, dem EA-Ruhr, sowie dem Demosanitäter Westfalen und allen Gruppen, Initiativen und Menschen, die an der Demonstration mitgewirkt haben. Durch die große Teilnahme konnte eine kämpferische Dynamik entstehen, die wir uns in der Zukunft erhalten sollten. Unterstützt weitere Kundgebungen und Aktionen beteiligter Gruppen und bleibt laut, kreativ und wütend!
Wir sehen uns auf der Straße – Spätestens beim anarchistischen Mai 2022 in Dortmund!